Flugzeug mit Hubflügelantrieb

Den Flug des Vogels nachzuahmen ist seit jeher ein Traum der Menschen. Bereits in der griechischen Antike finden sich Verweise darauf (Dädalus, Ikarus). Die ersten derartigen dokumentierten Versuche der Neuzeit unternahm Leonardo da Vinci Ende des 15. Jahrhunderts. Obwohl seine Flugmaschinen höchstwahrscheinlich niemals abhebten, hatte er – allein durch Beobachtung des Vogelfluges – seine zu Grunde liegenden Prinzipien verblüffend gut verstanden und dokumentierte sie in seinem „Codex Turin“. Nachdem in den folgenden Jahrhunderten die Gelehrten erfolglos versuchten, daran anzuknüpfen, gelang es erst Otto Lilienthal Ende des 19. Jahrhunderts als erstem Mensch mit einem Fluggerät, welches schwerer als Luft war, zu fliegen. Dem vorausgegangen war ebenfalls ein äußerst gründliches und fruchtbares Studium des Vogelflugs. Als erster hatte Lilienthal erkannt, dass gewölbte Flächen, so wie man sie auch bei Vögeln vorfindet, solchen mit ebener Kontur vorzuziehen sind.

Ebenso erkannte er, dass Vögel ihre Flügel beim Schlagen in sich verdrehen, um neben Auftrieb auch Vortrieb zu erzeugen. Diese Erkenntnisse flossen unter anderem in die Konstruktion seiner beiden Schlagflügelapparate (kleiner und großer Schlagflügelapparat) ein.

Erste erfolgreiche Versuche manntragender „Schwingflügler“ – angetrieben per Muskelkraft oder Motor – unternahmen Lippisch (1929) und Schmid (1942). FEM-Simulationen am schlagenden Flügel unternahm Neef und postulierte einen maximalen theoretischen Wirkungsgrad von über 90 %.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind wohl zwei Projekte zu nennen, die – auf verschiedenen Gebieten – als Stand der Technik anzusehen sind.

2010 gelang es einem Team von der Universität Toronto, mit einem muskelkraftbetriebenen Schlagflügel (Snowbird) über eine Strecke von 145 m schlagflügelangetrieben zu fliegen. Die FAI erkannte diesen Flug als first flight of a human-powered ornithopteran.

Auf dem Gebiet des unbemannten Fluges konnte die Firma Festo auf der Hannovermesse 2011 mit der Vorstellung des Smartbirds beeindrucken[4]. Als ein der Silbermöwe nachempfundener Ornithopter mit knapp 2 m Spannweite und einem Gewicht  von 450 g erzeugt  dieser  genug Vor- und Auftrieb    zum „dauerhaften“ Flug und ist eigenstartfähig.

Diese Projekte sind ohne Frage beeindruckend. Dennoch schöpfen beide, nach Meinung der Autoren, das dem Vogelflug innewohnende Potential nicht aus. Ebenso wenig scheinen sie den Propellerantrieb in seiner Effizienz zu übertreffen und stellten somit keine ernstzunehmende Alternative zu diesem dar.

Im Falle des Snowbird ist dies offensichtlich: 1988 legte der Daedalus (ein muskelkraftbetriebener Einsitzer des MIT) propellergetrieben eine Strecke von 115 km zurück. Der Snowbird hingegen – mit ähnlichen Eigenschaften hinsichtlich Spannweite, Gewicht und „Motorisierung“ – schaffte lediglich eine Strecke von 145 m. Auch der Smartbird ist noch nicht über das Stadium eines Versuchsträgers hinaus gediehen.

Es bleibt also genug Raum zur weiteren fruchtbaren Auseinandersetzung mit dem Thema Schlagflug. Die  Idee  des  Hubflügels  soll  einen  Beitrag  dazu  leisten  –  getreu  der  Aufforderung   Lilienthals:

„Der Geschicklichkeit der Konstrukteure bleibt es nun überlassen, den im Streben nach Wahrheit gefundenen Fliegeprinzipien durch die Erfindung anwendbarer Flügelbauarten mit vorteilhaften Bewegungsmechanismen einen praktischen Wert zu verleihen.“

Eben dies war der auch der Antrieb Karl-Heinz Hellings – dem Erfinder des Hubflügels. Die oben genannten bisherigen Versuche scheiterten nach seiner Auffassung daran, dass versucht wurde, das Vogelflugprinzip „1-zu-1“ nachzuahmen – tordierbare Flügel schlagen um ein Schultergelenk auf und ab. Dies ist konstruktiv schwierig umzusetzen. Die Flügel müssen - unter Beibehaltung ihrer aerodynamischen Güte - in sich tordierbar ausgelegt werden, um ihren Anstellwinkel entsprechend der Schlagphase einstellen zu können. Dies gelingt, wie die Praxis zeigt, nur schwerlich. Darüber hinaus geht Prinzip bedingt die elliptische Auftriebsverteilung verloren. Das Auftriebsmaximum verlagert sich zu den Flügelspitzen hin, was einen entsprechend größeren induzierten Widerstand zur Folge hat. Offensichtlich ist es bis zum gegenwärtigen Tage nicht gelungen, die dem Prinzip des Vogelfluges innewohnende Energieeffizienz technisch angemessen umzusetzen – den Autoren sind keine derartigen am Markt erhältlichen Fluggeräte egal welcher Größe bekannt.

Bei dem hier vorzustellenden Ansatz werden zwei gegenphasig schlagende starre Flügel im Gesamten auf- und ab bewegt und währenddessen ihr Anstellwinkel variiert. Der Erfinder nennt dieses Konzept Hubflügel. Als Vorteile sind zu sehen, dass die elliptische Auftriebsverteilung stets erhalten bleibt, sich die Anstellwinkel der Flügel optimal entsprechend der jeweiligen Schlagphase einstellen lassen, kein konstruktiv aufwendiges und die aerodynamische Güte der Tragflächen beeinträchtigendes Tordieren selbiger notwendig ist, und dass es durch die gegenphasig schlagenden Flügel zu einer  Kompensation

aller „störenden“ Momente und nahezu konstantem Auftrieb kommt. Ein „Tanzen“ des Rumpfes, wie es auch bei Vögeln zu beobachten ist, tritt nicht auf. Das Prinzip des Hubflügels stellt eine Weltneuheit dar und besitzt Pioniercharakter!

Der Erfinder – Karl-Heinz Helling – ist pensionierter Diplom-Ingenieur für Flugzeuggerätebau und arbeitet bereits seit 30 Jahren an der Umsetzung seiner Idee. Im Verlaufe der Jahre ist dabei eine Vielzahl, zum Teil flugfähiger, Modelle entstanden. Das hier vorzustellende Prinzip des Doppelhubflügels wurde dabei erstmals 2008 beim HE209 – einem ca. 2 m Spannweite messenden Flugmodell – konstruktiv umgesetzt und erprobt(Video vom Flug des HE209). Der generelle Nachweis der Realisierbarkeit als auch der messtechnische Nachweis der beachtlichen Effizienz dieses Prinzips wurden mit diesem Modell erbracht. Gegenwärtig befindet sich ein Ultraleichtflugzeug der 120-kg-Klasse im Bau, welches einen Fertigungsgrad von ca. 95 % erreicht hat und im Verlaufe dieses Jahres zum seinem – ferngesteuerten – Jungfernflug starten soll. Eine Zulassung als UL ist zunächst aus Kostengründen nicht geplant.

Der Vorteil der Verwendung einer schlagenden Fläche gegenüber dem Propeller besteht generell darin, dass der Querschnitt der beschleunigten Luftsäule wesentlich größer ist und diese damit weniger stark beschleunigt werden muss. Die Widerstände, die durch Turbulenzen an angrenzenden Luftschichten und dem Rumpf entstehen, fallen geringer aus.

Die Autoren sehen die zentrale Innovation des Hubflügels darin, dass mit ihm eine technisch sinnvolle Umsetzung des Vogelfluges möglich ist. Bisherige Umsetzungen (siehe Übersicht) sind nicht über das Versuchsstadium hinaus gediehen – nach Einschätzung der Autoren deswegen, weil bei allen ihnen bekannten Projekten versucht wurde, das Vogelflugprinzip möglichst „originalgetreu“ technisch zu adaptieren, was aufgrund existierender konstruktiver Einschränkungen sowie besonderer Erfordernisse beim bemannten Flug generell wenig erfolgversprechend scheint.

Im Gegensatz dazu werden beim Hubflügelflug entsprechend dem hier vorzustellenden Prinzip zwei wesentliche Neuerungen eingeführt. Zum einen schlägt der vortriebs- als auch auftriebserzeugende starre Flügel im Gesamten auf und nieder, wodurch seine elliptische Auftriebsverteilung erhalten bleibt. Darüber hinaus werden zwei solcher Flügel gegenphasig schlagend kombiniert (Abb. 9). Dies hat den enormen Vorteil, dass der Auftrieb über die gesamte Schlagphase, anders als bei lediglich einem Flügel, nahezu konstant ist und sich die Momente im Wesentlichen aufheben. Mithilfe eines eigens erstellten Simulationsprogramms wurde dieser Zusammenhang auch theoretisch nachgewiesen.

Abbildung 10 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Hub (Vertikalposition) der Tragfläche und ihrem Anstellwinkel. Damit Vor- und Auftrieb erzeugt werden, muss der Anstellwinkel dem Hub vorauseilen – die Tragfläche schlägt mit stark positivem Anstellwinkel auf und mit negativem ab.

Abbildung 11 zeigt eine Gegenüberstellung des Verlaufs von Auftrieb und Vortrieb über der Hubphase. In der linken Abbildung schlägt ein Flügel. Es ist zu erkennen, dass sowohl Auftrieb als auch Vortrieb oszillieren. Der Auftrieb verläuft nahezu sinusförmig, im Minimum ist er leicht negativ. Der Vortrieb zeigt einen komplexeren Verlauf, weist aber ebenso ein deutliches Maximum auf. Ein Fliegen wäre so möglich, denn Auftrieb und Vortrieb sind im Durchschnitt positiv.

Durch das Oszillieren des Auftriebs käme es jedoch zu einem „Tanzen“ des Rumpfes, wie es auch bei Vögeln beobachtet werden kann. Die rechte Abbildung zeigt den Verlauf der Kräfte, wenn zwei Flügel im Gegentakt schlagen. Der Auftrieb bleibt dabei nahezu konstant, lediglich der Vortrieb oszilliert mit doppelter Schlagfrequenz.

Dieses Konzept wurde beim Modell HE209 zum ersten Mal in die Praxis umgesetzt und erprobt. Die Annahme, dass das Modell „ruhiger in der Luft liegen“ würde bestätigte sich dabei. Ebenso wie das sich im Bau befindliche UL HE210 verfügt auch das HE209 über zwei getrennte Antriebe. Ein Elektromotor treibt die Hubkinematik an, ein zweiter (baugleicher) arbeitet auf einen Propeller. Beim HE210 dient dieser zweite Motor ausschließlich dem Start, beim HE209 jedoch zum Vergleich des Leistungsbedarfs der beiden Antriebsarten Hubflug und Propellerflug. Um in der Lage zu sein, diesen Unterschied auch halbwegs quantifizieren zu können, wurde das Modell mit einem Datenlogger ausgestattet, der die relevanten Parameter – Stromaufnahme des jeweiligen Motors, Spannung und Höhe – erfasst und im Anschluss eine Bestimmung des Wirkungsgrades erlaubte.

Abbildung 12 zeigt beispielhaft einen solchen Messflug. Propeller- und Hubflug (Schlaglfug) wurden nacheinander durchgeführt, die entsprechenden Flugphasen sind im Diagramm gekennzeichnet

Die Effizienz des jeweiligen Antriebes lässt sich nun aus den aufgezeichneten Werten zurückrechnen. Die über die jeweilige Flugphase gemittelten Werte für Strom und Spannung ergeben dabei die zugeführte Leistung, die erzielte Steiggeschwindigkeit die tatsächlich im angestrebten Sinne (Vor- bzw. Auftrieb) „wirksame“.

Folgende Werte wurden dabei ermittelt:

Der jeweilige mechanische Wirkungsgrad der beiden Antriebssysteme „bis zur Welle“ fand ebenso Berücksichtigung. Dieser ergibt sich aus dem drehzahlabhängigen Wirkungsgrad des Elektromotors und dem des Getriebes. Letzterer ist naturgegeben beim Hubflug geringer, da eine wesentliche höhere Untersetzung verwendet werden muss, um eine Schlagfrequenz von maximal 4 Hz erzielen zu können.

Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ergibt die Auswertung beim Propeller einen aerodynamischen Wirkungsgrad von etwa 33 %. Dies bewegt sich im Rahmen dessen, was man in der Literatur für Propeller dieser Art finden kann. Der Hubflügel hingegen erreicht bei dieser Rechnung eine Effizienz von etwa 89 % (eine exakte Aussage ist nicht möglich, da die Eigengeschwindigkeit des Modells nicht erfasst wurde). Die absolute Effektivität des Hubflügels als auch die relativ bessere im Vergleich zum Propeller ist damit – zumindest am Modell und unter den gegebenen Bedingungen – belegt. Wahrscheinlich wird sich dieser „Vorsprung“ (nahezu 3:1 zu Gunsten des Hubflügels) nicht komplett auf ein Luftfahrtzeug von der Größe eines ULs oder darüber hinaus „hochskalieren lassen“ – Propeller, wie sie für ULs Verwendung finden haben bekanntermaßen einen höheren Wirkungsgrad als solche, die in Modellflugzeugen arbeiten, wohingegen der Hubflügel offenbar aufgrund seiner ohnehin schon hohen Effizienz wenig „Luft nach oben“ hat. Dennoch gehen wir davon aus, dass sich diese Ergebnisse im Wesentlichen auch beim HE210 reproduzieren lassen.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass auch die Effizienz des Hubflügels gegenüber der besten, den Autoren bekannten, Implementierung des „konventionellen“ Schlagfluges – dem Smartbird von  Festo – wesentlich besser ist. Der Smartbird  benötigt laut Herstellerangabe bei einem Gewicht von 450 g zum Flug (mit minimaler Steigung) eine Leistung von „rund 25 Watt“. Hochgerechnet ergibt sich eine Antriebsleistung von ca. 60 W/kg. 

Interessant ist auch der Ansatz des Projektes DESiE (Doppelsitziges Elektroflugzeug in Entenkonfiguration). Im Rahmen dieses Projektes soll ein aerodynamisch hoch optimiertes Segelflugzeug mit Elektroantrieb entstehen.

Das Doppelhubflügelmodell  HE209 hingegen benötigt lediglich   17 W/kg zum horizontalen Flug.

Quellen

  1. Neef M. and Hummel D., „Euler Solutions for a Finite-Span Flapping Wing“, Technical University of Braunschweig, 2001
  2. Lilienthal, O., „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst.“, 1889, Kap. 41
  3. Brenner, T., HubfluegelCalc, Modellflugclub Rossendorf e.V., 2010
  4. Festo, Broschüre „SmartBird - Vogelflug entschlüsselt“, S. 6, 4/2011
  5. Helling, K.H., Patentschrift „DD 292 186“, 25. Juli 1991, Anlage 2
 
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