Faszination Deltas - oder - das Leichte, das so schwer zu machen ist

 

Karl-Heinz Helling

 

Als ich im Aufwind 2/05 Herrn Siegmanns Beitrag [1] zum Delta las, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wenn schon eine Tapetenflunder wie der Pibros so hervorragende Eigenschaften(induzierter Widerstand cwi = 0,0017 bei Auftriebsbeiwert ca = 0,4) besaß, was müssten da mit einem profiltreuen und glatten Superleichtbau für Leistungen möglich sein?

Warum hatte ich das nur während meiner F3B-Zeit nicht erkannt! Als ich mit den Polaren des zitierten Profils HS-520 die Sinkgeschwindigkeit und die Gleitzahl überschlug, kamen mir dann doch Zweifel, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht. Die Ernüchterung kam beim Nachrechnen der Siegmannschen Zahlen. Er hatte mich durch einen Flüchtigkeitsfehler auf die falsche Fährte gelockt: der Pribros hat nur ein cwi = 0,017! Damit war das Delta als Segler vom Tisch. Schade, es wäre so schön gewesen.

 

Beim Einschlafen überlegte ich, ob mit einer sinnvolleren Flügelgeometrie, z.B. Parabel, einer geringeren Wölbung und Dicke, kombiniert mit extremem Leichtbau nicht doch so ein richtiger Spaßvogel für ruhiges Wetter möglich wäre. Dabei war die Grundüberlegung, dass man statt über höhere Streckung auch durch ein geringes Gewicht den induzierten Widerstand klein halten kann. Bekanntlich steigt der für eine gegeben Geschwindigkeit nötige Auftriebsbeiwert linear mit dem Gewicht. Der induzierte Widerstand steigt aber etwa mit dem Quadrat des Auftriebsbeiwertes. Ergo: reduziert man z.B. das Gewicht, und damit den Auftriebsbeiwert, auf 1/3, reduzierte man den induzierten Widerstand auf 1/9. Das heißt, er beträgt nur noch ungefähr 10%.

 

Ich nahm einen 2m Glasfaserundstab und bog ihn auf eine Spannweite von 1,6m, hatte damit bei einer Streckung L = 4 knapp die 4fache Fläche des Pibros. Die Masse sollte aber möglichst bei 250 Gramm bleiben. Das Projekt schien an der praktischen Umsetzung zu scheitern. Schalenbauweise war mir zu aufwendig und würde auch zu schwer. Bei einem Rippenflügel mit Folie muss man zwar aerodynamische Einbußen in Kauf nehmen (Nasenradius und Girlandenstruktur mit Profilveränderung längs der Äquidistanten des Flügelprofils) aber, so redetet ich mir das Konzept schön, würden sie möglicherweise die Strömung kanalisieren. Der raue Rippenflächenanteil beträgt nur 4% der Flügelfläche.

 

Aber auch diese Lösung schien aussichtslos. Ein Vorversuch mit dem gewählten Profil NCEP 1006 [2] und einem GFK- Nasenholm vom Durchmesser 2 mm führte ohne Hauptholm trotz massiver Balsaendleiste zu einem weichen Flächengebilde. Ich sah schon den propellerartigen Verzug beim Spannen der Folie! Es folgten immer dickere Nasenholme bis hin zum 5 mm CFK-Rohr, das schon erhebliche Kräfte zum Biegen erforderte. Um die Geometrie mit der natürlichen Biegelinie dieses Rohres zu prüfen, spannte ich hinten einen Polyesterfaden. Arcus, der Bogen, war geboren. Ein so stark gespanntes CFK-Rohr bildet auch gegen Torsionskräfte eine ziemlich steife Ebene. Die innere Spannung des Systems, die jeden Statiker, ob im Brücken- oder Flugzeugbau schaudern ließe, sorgt in diesem Fall für Formstabilität. Die 3-mm-Balsarippen sind nur zwischen Nasenholm und "Endfaden" aufgehängt (Abb.1).

 

Abb.1

Abb. 2

 

Ich musste aber dann doch noch einen Brettholm aus 3mm Balsa mit Zug- und Druckgurt aus 1mm CFK Rundstab einfügen, weil auf einen Hochstarthaken nicht verzichtet werden sollte. Dieser Holm bildet mit dem Nasenholm die Auflager einer 12x05 mm dünnen GFK-Röhre, die den Hochstarthaken in einem kleinen Buchenrundstabaufnimmt. Das Rohr ragt aus Schwerpunktgründen nach vorn über den Flügel und nimmt 4 Stück 800 mAhAAA-Akkus auf (Abb. 2), Lithium-Akkus machen deshalb keinen Sinn. Dieses Rumpfrudiment dient auch als Griff beim Start und, so man es kann, auch bei der Landung in die Hand. Auch habe ich den Polyesterfaden mit je einem Streifen Balsa 1x 30 mm² oben und unten ergänzt, damit durch die Folienspannung keine Girlande am Profilende entsteht. Sie hätte das Anbringen der 3 mm Depronruder erschwert und z Falten in der Bespannung geführt.

 

Mit Quer- und Höhenruder über Mischer flog das Gebilde zwar, drehte aber trotz minimaler Rumpffläche vor dem Schwerpunkt nur widerwillig um die Hochachse. Zwei kleine Depron Seitenflossen, die gleichzeitigals Rudersegmenthebel dienen, beheben dieses Manko.

Durch die geschilderten Kompromisse ist die Masse allerdings auf 320 Gramm gestiegen. Sie führt aber bei 68 dm² trotzdem erst zu einer Flächenbelastung von 4,7 Gramm pro dm². Wenn man die Arbeitspunkte für geringstes Sinken (vy = 0,27 m/s) und beste Gleitzahl (E = 17) schon bei v = 4 bzw. 5 m/s auf der Sinkpolare akzeptiert, hat man ein Spielzeug, das dank seiner geringen Masse bei entsprechenden Wetterlagen jedes F3J-Modell in der Sinkgeschwindigkeit unterbietet und nahezu unzerstörbar ist (Kraft ist Masse mal Beschleunigung). Die Sinkpolare ist natürlich bei höheren Geschwindigkeiten nicht berauschend, aber Aufballasttieren würde das Leichtgewicht einem hohen Bruchrisiko bei der Landung aussetzen. Man kann im Leben halt nicht alles auf einmal haben! Dafür reicht aber zum Hochstart eine 0,3 mm Leine und es sind keine Läuferqualitäten erforderlich, und das Modell steigt wie auf Schienen!

 

Literatur

[1]H. Siegmann Ohne Filter/Rofile Light,Aufwind H. 2, 2005, S. 34-37

[2]Fr. Perseke Das Segelflugmodell, Band 2, S. 181,188, 201, Neckar-Verlag, Villingen-Schwenningen, 5. Auflage, 2000

[3]K.H. Helling Faszination Deltas,Aufwind H. 1, 2007, S. 92-93

 

 

Tabelle 1 Experimentalmodell KH35 ARCUS - Technische Daten

Spannweite

b = 1,6m

Flügelfläche

A = 0,682 m2

Streckung

L = 4,04

Masse

m = 0,32 kg

mittlere Profillänge

lo= 0,54m

Flächenbelastung

m/A = 0,47kg/m2

 

 

Tabelle 2 Experimentalmodell KH35 ARCUS - Baumassen

Bauelement

Masse in g

Nasenrohr, CFK f3,5/4,9 x 2000

30

2 Endleisten, Balsa 1 x 30 x 1600

10

2 Holmgurte, CFKf 1,2 + Balsa-Stege

10

18 Rippen, Balsa

50

Rumpfrohr, GFKf12x0,5 + Kappe

22

Segmenthebel, Schubstangen + Seitenruder Depron

10

2 Höhenruder,Depron

8

Bespannfolie Oracover light

54

Servolager + Antenne + Klebstoff

11

Empfänger + 2 x Servos + 4 x AAANiCd + Kabel

115

Geasamt

320

 

 

 

Abbildung 3 Interessantes Design!

 

 

Abbildung 4 Am Hang

 

 

Abbildung 5 Am Seil

 

 

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